Kompaktwissen zum Erbscheinverfahren nach § 352 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
Vorbemerkung
Ein Erbschein ist ein vom Nachlassgericht für einen (oder mehrere Erben) ausgestelltes Zeugnis über das Erbrecht und gilt als Urkunde im Sinne von § 271 StGB (Strafgesetzbuch). Ist ein Erbschein unrichtig, wird er vom Nachlassgericht wieder eingezogen. Insofern garantiert ein Erbschein das Erbrecht nicht, sondern bescheinigt es lediglich.
Antragsberechtigt ist der Erbe. Sind mehrere Miterben vorhanden, so reicht es aus, wenn ein Miterbe den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheines stellt. Wird der Antrag nicht von sämtlichen Erben gestellt, so hat der Antragsteller anzugeben, dass die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben.
Da eine Erbfolge äußerlich nicht erkennbar ist, soll ein Erbschein die Erbfolge (z.B. gegenüber dem Grundbuchamt, Banken, etc.) nachweisen. Ist ein Erbschein erteilt, werden Dritte durch den Erbschein in ihrem Vertrauen auf die Erbfolge geschützt.
Kopien oder beglaubigte Abschriften eines Erbscheines sind gegenüber Dritten nicht geeignet das Erbrecht zu bescheinigen, denn der ursprüngliche Erbschein könnte wegen Unrichtigkeit wieder eingezogen worden sein. Daher ist es für den Rechtsverkehr erforderlich, ggf. das vom Gericht ausgefertigte Exemplar vorzulegen (das Original). Dieses trägt die Überschrift „Ausfertigung“. Auf Antrag kann das Gericht auch mehrere Ausfertigungen des Erbscheines ausstellen. Im Falle der Unrichtigkeit müssen alle Ausfertigungen wieder eingezogen werden. Daher stellen Gerichte nur ungern mehrere Ausfertigungen aus und es bedarf einer Begründung, mehr als eine Ausfertigung zu erhalten.
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Um einen Erbschein zu erhalten, ist ein Antrag erforderlich, da Erbscheine nicht „von Amts wegen" erteilt werden. Da im Zusammenhang mit dem Antrag eine eidesstattliche Versicherung erforderlich ist, können Erbscheinanträge nur zu Protokoll eines Nachlassgerichts aufgenommen oder durch ein Notariat beurkundet werden. Zur Kostenberechnung ist der Wert des reinen Nachlasses (Vermögen nach Abzug der Schulden) anzugeben. Ein Unterschied zur Beurkundungsgebühr des Notars und des Gerichts besteht nicht. Der Notar erhebt jedoch auf seine Kostenrechnung zusätzlich Mehrwertsteuer. Lebt der Erbe im Ausland ist die Antragstellung auch bei einem deutschen Konsularbeamten (im Einzelfall auch bei einem Honorarkonsul) möglich. Antragsteller müssen sich durch einen gültigen Ausweis legitimieren.
Ein Erbschein muss schriftlich beantragt werden. Besondere Formvorschriften bestehen hierfür nicht. Fristen sind nicht einzuhalten, da das Antragsrecht nicht verwirkt. Theoretisch können Erbscheine daher auch heute noch für alle Erbfälle seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 01.01.1900 beantragt werden.
Bei mehreren Erben und der Beantragung eines gemeinschaftlichen Erbscheines genügt es, wenn nur ein Erbe den Antrag stellt, die erforderliche Eidesstattliche Versicherung abgibt und beantragt, den Miterben die Eidesstattliche Versicherung zu erlassen.
Bis einschließlich der dritten gesetzlichen Erbfolgeordnung können auch Teil-Erbscheine beantragt und erteilt werden, da das Erbrecht nach Stämmen besteht. Dieses ist aus rechtlichen Gründen für die vierte und höhere gesetzliche Erbfolgeordnungen, wo das Erbrecht nach dem Grad der Verwandtschaft gilt, nicht möglich.
Zu beachten ist jedoch, dass eine vollständige Nachlassregelung durch einen Teil-Erbschein nicht möglich ist. Erst wenn die Gesamtrechtsnachfolge durch Teil-Erbscheine, die dann zusammen das Ganze ergeben, belegt werden kann, ist beispielsweise eine Kontoauflösung oder der Verkauf eines Grundstücks möglich.
Erforderliche Angaben im Erbscheinantrag
Wird ein Erbschein nach gesetzlichem Erbrecht beantragt, sind bestimmte Angaben zu machen, auf die nachfolgend eingegangen wird. Eine Bezugnahme auf ein Erbscheinverfahren nach einem anderen Erblasser genügt nicht, selbst wenn die erforderlichen Angaben aus dem anderen Verfahren tatsächlich zu entnehmen sind.
Folgende Angaben sind grundsätzlich erforderlich:
Der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (durch die Sterbeurkunde nachzuweisen).
Der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers und die Staatsangehörigkeit (zur Klärung, welches Amtsgericht örtlich zuständig ist).
Angaben über das Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser bzw. das Ehegattenverhältnis. Eine Ehe und auch frühere Ehen des Erblassers sind zu benennen, sowie der Grund der Auflösung der Ehe (durch Scheidung oder Tod). Bei bestehender Ehe ist der Güterstand anzugeben (gesetzlicher Güterstand oder Gütertrennung), da dieses für den Erbanteil ausschlaggebend ist.
Unbedingt anzugeben sind alle Personen, die als gesetzliche Erben in Betracht kommen und insofern als Erben berufen sind (soweit sie die Erbschaft nicht ausgeschlagen haben). Vor dem Erblasser verstorbene Personen, die den Antragsteller (und Miterben) ausschließen oder ihre Erbteile mindern würden (falls sie noch leben würden) sind anzugeben. Wenn vorverstorbene Personen nicht im Kindesalter verstorben sind, ist anzugeben, dass sie unverheiratet waren und kinderlos verstorben sind. Es ist anzugeben, ob eine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) hinterlassen wurde, selbst wenn diese nicht wirksam sind. Ebenfalls anzugeben ist, ob ein Rechtstreit über das Erbrecht anhängig ist.
Die Größe des Erbteils (Quote) ist für alle Erben, für die der Erbschein beantragt wird, zu benennen. Weiterhin, ob zum Nachlass Grundbesitz, eine Firma und Nachlass im Ausland oder ggf. Hofvermögen (dann gilt in einigen Bundesländern Höfeerbrecht) gehört.
Beweis durch Urkunden
Antragsteller haben die Tatsachen, die das Erbrecht begründen, durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Denn Erbscheinverfahren sind sogenannte Urkundsverfahren, Abstammungen sind durch Geburtsurkunden, Namenswechsel durch Heiratsurkunden und der Wegfall von vorberechtigten Erben durch Sterbeurkunden (alle im Original oder durch öffentlich beglaubigte Kopien dieser Urkunden) zu belegen. Für durch Scheidung beendete Ehen ist eine rechtskräftige Ausfertigung des Scheidungsurteils vorzulegen. Einfache Kopien von Urkunden sind grundsätzlich nicht ausreichend. Werden Kopien vorgelegt, müssen diese durch notarielle oder gerichtliche Beglaubigung, dass sie vom Original gefertigt wurden, bestätigt sein. Im Antrag sollte angegeben werden, ob das Gericht die Urkunden nach Prüfung an die antragstellende Person zurückgeben soll. Andernfalls nimmt das Gericht die Urkunden zu den Akten.
Negative Tatsachen sind nicht zu beweisen (z.B., dass der Vater noch weitere Kinder hatte). Dieses wäre faktisch im Regelfall auch nicht möglich. Hierzu ist auf die eidesstattliche Versicherung der antragstellenden Person zu verweisen, dass nichts bekannt ist, was den gemachten Angaben entgegensteht. Eine eidesstattliche Versicherung muss nach bestem Wissen und Gewissen richtig sein. Denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbewehrt (§ 156 Strafgesetzbuch). Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden.
Im Falle ausländischer Urkunden müssen diese ggf. legalisiert werden. Dieses muss durch die Bescheinigung der Echtheit der Urkunde durch eine Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland des Landes, aus der die ausländische Urkunde stammt, erfolgen. Mit verschiedenen Staaten bestehen hierzu bilaterale Abkommen, dass auf die Legalisierung verzichtet wird. Diesbezüglich sind ggf. Erkundigungen einzuholen. An die Stelle der Legalisierung tritt dann eine Apostille (Überbeglaubigung) durch die zuständige Behörde des Landes, aus dem die Urkunde stammt.
Hilfsweiser Nachweis, wenn keine Urkunden vorgelegt werden können
Sollten öffentliche Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand beschaffbar sein, kann die Angabe anderer Beweismittel unter Umständen genügen.
Nicht beschaffbar sind beispielsweise Urkunden, die durch Krieg oder Katastrophen unwiederbringbar verloren gegangen sind und für die von den zuständigen Standesämtern oder Archiven kein Ersatz mehr ausgestellt werden kann. Oder Urkunden, die faktisch nicht beschaffbar sind, wenn z. B. Urkunden aus einem Land beschafft werden müssten, mit dem kein Rechtsverkehr mit der Bundesrepublik Deutschland besteht oder eine Beschaffung wegen Krieg oder Unruhen unmöglich ist.
Andere Beweismittel des Nachweises des Todes sind unter anderem Mitteilungen zuständiger Stellen (Deutsche Dienststelle, Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, etc.) darüber, dass eine Person im Krieg umgekommen ist oder das Schicksal unbekannt ist und hierüber ein Gutachten vorliegt, das als Ersatzbeweis geeignet ist. Dazu zählen auch Informationen aus der online einsehbaren Datei des Bund Deutscher Kriegsgräberfürsorge über Kriegsgräber. Weiterhin können als Ersatzbeweise auch nicht-öffentliche Urkunden: Ahnenpässe, kirchliche Bescheinigungen über die Taufe, eine Heirat oder das Begräbnis, Bescheinigungen von Meldeämtern (alte Meldekarten), Briefe aus Nachlässen (die sachdienliche Informationen enthalten), Todesanzeigen in Zeitungen, Fotos von Grabinschriften, Hochzeitsfotos, Erbfolgen, die in Grundbüchern eingetragen wurden, unbeglaubigte Fotokopien von Urkunden, die nicht mehr im Original beschafft werden können, etc. gelten. Die Beschaffung von nicht mehr bei Ämtern und Archiven erhältlichen Urkunden ist ggf. auch online in einschlägigen Internetdatenbanken möglich, da die Digitalisierung von Urkunden und kirchlichen Bescheinigungen bereits fortgeschritten ist und immer weiter fortgeführt wird.
An die Beweisführung durch andere als öffentliche Urkunden sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Andere Beweismittel müssen ähnlich verlässliche und klare Anforderungen bezüglich der Abstammung, eines Namenswechsels oder des Todes erfüllen, wie öffentliche Urkunden.
Ist das Schicksal eines vorberechtigten Erben nicht aufzuklären, kann es das zuständige Nachlassgericht als erforderlich ansehen, ein Todeserklärungsverfahren nach dem Verschollenheitsgesetz durchzuführen. Oftmals genügt es aber auch, eine sogenannte öffentliche Aufforderung für den betreffenden vorberechtigten Erben durch den Erbscheinantrag zu veranlassen. Diese führt dann das Amtsgericht wie folgt durch: „Die infrage kommenden gesetzlichen Erben wollen sich unter genauer Darlegung des Verwandtschaftsverhältnisses binnen sechs Wochen ab Veröffentlichung beim Nachlassgericht … melden, andernfalls wird ein Erbschein ohne Berücksichtigung ihres Erbrechts erteilt werden“. Diese Veröffentlichung erscheint im elektronischen Bundesanzeiger. Der Bundesanzeiger ist als Amtsblatt neben dem Bundesgesetzblatt ein weiteres Verkündungs- und Bekanntmachungsorgan der deutschen Bundesbehörden. Es wird vom Bundesministerium der Justiz herausgegeben, erscheint im Bundesanzeiger Verlag und ist online frei zugänglich.
„Letztes Mittel" im Erbscheinverfahren ist der Beweis einer Tatsache (Abstammung, Heirat, Wegfall durch Tod) durch eine eidesstattliche Versicherung. Wenn der Wegfall beispielsweise eines vorberechtigten Erben weder durch öffentliche Urkunden oder andere Beweismittel möglich ist, können Personen, die durch eigenes Wissen (und nicht vom Hörensagen) Auskunft zum Sachverhalt erteilen können, hierzu eine (notariell aufgenommene) eidesstattliche Versicherung abgeben. Doch an diese eidesstattliche Versicherung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Person, die die eidesstattliche Versicherung abgibt, sollte dadurch selbst keinen Vorteil erlangen. Es erhöht die Glaubwürdigkeit und damit die Beweiskraft einer eidesstattlichen Versicherung, wenn beispielsweise eine „seitenverwandte“ Person, die nicht demselben Erbstamm angehört oder eine nicht verwandte Person, die eidesstattliche Versicherung abgibt. Die Glaubwürdigkeit wird auch dadurch erhöht, wenn konkrete Ereignisse (wie zum Beispiel das Treffen auf einer Familienfeier, der Besuch der Grabstelle oder die Teilnahme an einer Taufe bezüglich der betroffenen Person) benannt werden, die den versicherten Sachverhalt konkret schildert, und die eidesstattliche Versicherung nicht nur allgemeine Aussagen trifft.
Entscheidend für den Erfolg eines Erbscheinantrages ist es, dass die beantragte Erbfolge und die damit im Zusammenhang angegebenen Erbquoten zur Überzeugung des den Erbschein erteilenden Nachlassgerichts dargelegt sein müssen. Im Bedarfsfall kann hierzu auch eine Expertise eines gewerblichen Erbenermittlers zum Erfolg beitragen, wenn der gewerbliche Erbenermittler, beispielsweise in einer ergänzenden Stellungnahme zum Erbscheinantrag, lückenlos nachweist, dass die im Erbscheinantrag dargestellte Erbfolge zutrifft und andere Tatsachen, trotz vollständiger Bemühungen und der Vorlage von entsprechenden Negativnachweisen, faktisch nicht feststellbar sind.
Dieses ist insbesondere von grundlegender Bedeutung, wenn in der dritten Erbfolgeordnung die mütterliche oder die väterliche Seite ausgestorben ist, und der vorhandenen Seite, der Erbanteil der ausgestorbenen Seite zuwächst, und sich die Erbquoten dementsprechend verdoppeln.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass in Erbscheinverfahren, insbesondere in den höheren Erbordnungen, an den Erbscheinantrag hohe Anforderungen gestellt werden müssen.
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